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Neue BGH-Rechtsprechung zur Kostenkalkulation in der Fernwärme

Der BGH hat mit seinem Beschluss vom 09.07.2019 – KZR 110/18 zur Beweislast bei Wettbewerbsverfahren im Bereich der Fernwärmepreise überrascht und eine für die Fernwärmeversorger ungünstige Entscheidung getroffen.

Hintergrund

Der BGH hat eine zugunsten des Fernwärmeversorgers ergangene Entscheidung des OLG Naumburg aufgehoben und zurückverwiesen. Ein privater Immobilienbesitzer hatte eingewandt, dass das Fernwärmeunternehmen einem anderen kommunalen Immobilienunternehmen einen Nachlass auf den Grundpreis von 59,18 % gewährte und wollte diesen Nachlass (349.907,67 €) nun ebenfalls erhalten.

Der Private unterlag dem Anschluss- und Benutzungszwang, das kommunale Immobilienunternehmen nicht. Der Private sah darin eine unzulässige Ungleichbehandlung und vermutete eine Subventionierung der Preise auf dem Wettbewerbsmarkt, während er aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwangs zu den höheren Preisen gezwungen werde. Das Fernwärmeunternehmen wies außerdem im Jahresabschluss 2013 eine Umsatzrendite im Fernwärmebereich von 43 % auf.

Beweislast in einem zivilrechtlichen Kartellverfahren

Die Fernwärmepreise unterliegen unter anderem dem Verbot unangemessener Entgelte (sog. „Ausbeutungsmissbrauch”§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB) und dem Verbot der sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung (sog. „Preisspaltungsmissbrauch”§ 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB).Letzteres liegt vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen auf einem beherrschten Markt (Anschlusszwang) andere ungünstigere Preise verlangt, als in einem nicht beherrschten sog. Wettbewerbsmarkt. Normalerweise hat der Kunde, der eine solche Preisspaltung behauptet, keine Kenntnisse von der internen Kalkulation des Fernwärmeversorgers. Dieser verweigert – aus nachvollziehbaren Gründen –den Einblick in die Kalkulation als Betriebsgeheimnis und verweist meist auf einen Preisvergleich mit anderen Fernwärmeversorgern und auf Besonderheiten in der tatsächlichen Kostenstruktur (Wärmenetzförderung im Neukundenbereich).

Mit dem Beschluss vom 09.07.2019 hat der BGH aber noch keinen Wettbewerbsverstoß festgestellt, sondern das Verfahren – unter anderem auch aufgrund einer sog. „Gehörsrüge” – nur zur Ermittlung des kartellrechtlich relevanten und richtigen Sachverhalts an das OLG Naumburg zurückverwiesen.

Änderung der Beweislast durch den BGH

Der BGH hat die Beweisführung für Klagen gegen ungleiche Fernwärmepreise erleichtert, indem er festgelegt hat, dass ein Missbrauch allein schon dadurch belegt werden kann, indem der Kläger einzelne Preisbildungsfaktoren (oder eine Mehrheit) vorträgt und nachweist, dass solche Preise in einem Wettbewerb nicht durchgesetzt werden können.

Konkret hatte der Private ohne weitere Kenntnis der Kalkulation die Grundpreise gegenübergestellt und mit dem Rabatt von über 59 % für das kommunale Immobilienunternehmen nach Ansicht des Gerichts ein erstes Anzeichen für eine missbräuchliche Preisspaltung gesetzt, welches das Versorgungsunternehmen nicht beseitigen konnte. Nach Ansicht des BGH bestand im Anschluss an das Vorbringen des Privaten somit eine Beweislast des Versorgungsunternehmens, für die Angemessenheit der unterschiedlichen Preise, während das vorinstanzliche Gericht davon ausgegangen war, dass der Private den umfänglichen Beweis eines Missbrauchs erbringen musste.

Der BGH hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die einfache Behauptung, die Preiskalkulation stelle Geschäftsgeheimnisse dar, nicht ausreicht. Der BGH wollte gerade wissen, warum die Preiskalkulation schützenswert ist.Ein pauschales Berufen auf Geschäftsgeheimnisse reiche nicht aus. Insbesondere, wenn es sich nicht um einen direkten Wettbewerber handelt, sondern um einen Kunden, muss dargelegt werden, welche Nachteile einem Versorger bei einer Offenlegung (im Verhältnis zum Kunden) entstehen können.

Danach wird das unterinstanzliche OLG Naumburg lediglich den Grundpreis und die dem Grundpreis zugrundeliegenden Kosten untersuchen müssen, um festzustellen, ob alleine die unterschiedlichen Grundentgelte einen Preisspaltungsmissbrauch begründen können.

Folgen:

Fernwärmeversorgungsunternehmen sollten,wie auch im Bereich der Wasserversorgung, die eigenen Preise und Kostengruppen sowie die Preisbildungsfaktoren mit denen anderer Versorgungsunternehmen vergleichen und insbesondere auf vergleichbare Preisbestandteile in Gebieten mit Anschlusszwang und solchen ohne Anschlusszwang achten. Bei deutlichen Preisspreizungen (insbesondere zugunsten kommunaler Unternehmen) scheint ein Wettbewerbsmissbrauch deutlich einfacher zu belegen zu sein, auch wenn es sich bei dem jüngst entschiedenen Sachverhalt wohl eher um einen „Ausreißer“ handelt.

Sollten Sie hierzu Fragen haben, können Sie uns gerne ansprechen.