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BGH-Urteil vom 6. April 2016 (AZ: VIII ZR 71/10) – BGH entscheidet über die Grenze der Weitergabe eigener Bezugskostensteigerungen des Gasversorgers an den Tarifkunden

Eine Gasgrundversorgerin verlangte die Zahlung restlichen Entgelts. Den vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises hatte die Beklagte widersprochen. Den Vortrag der Klägerin, Grund für die Preisänderungen seien jeweils Änderungen ihrer Bezugskosten gewesen, hatte die Beklagte nach Ansicht des BGH ausreichend bestritten. Es wurde dargelegt, dass die Grundversorgerin selbst Anteile an dem Gaslieferanten besitzt, von dem sie das Gas erwirbt und zu hohe Gaspreise zahlt. Das vorinstanzliche Gericht beachtete diesen Einwand nicht, mit der Folge, dass es der Klage nicht ohne Beweisaufnahme über diese Behauptung hätte stattgeben dürfen. Diese Beweiserhebung muss das Landgericht nun nachholen. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Landgericht muss nun ausreichende Feststellungen dazu treffen, ob die Preiserhöhungen auf Bezugskostensteigerungen beruhen und ob die Klägerin durch die Gestaltung der Vertriebsform die Bezugskosten beeinflusst hat. Hierzu hat der BGH entschieden, dass Gasgrundversorger grundsätzlich verpflichtet sind, im Interesse der Kunden die eigenen Bezugskosten niedrig zu halten und nach Möglichkeit die günstigste Beschaffungsalternative zu wählen. „Das Preisänderungsrecht des Gasgrundversorgers umfasst deshalb nicht die Weitergabe solcher Preiserhöhungen, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Weitergabe der Preiserhöhung an den Kunden aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte.“

Die Revision forderte in diesem Verfahren weiterhin eine zweite Vorlage des Rechtsstreits an den Gerichtshof der Europäischen Union über die Auslegung der zum Schutz der Gas-Haushaltskunden enthaltenen Transparenzanforderungen. Dies lehnte der BGH ab, da bereits alle entscheidungserheblichen Fragen durch das Urteil des Gerichtshof vom 23. Oktober 2014 (AZ: C-359/11 und C-400/11 – Schulz und Egbringhoff) geklärt seien, welches aufgrund der bereits in diesem Verfahren erfolgten ersten Vorlage ergangen ist.

Neu an dieser Entscheidung ist, dass der BGH unseres Erachtens ein „kleines“ Einfalltor für Kunden schafft, welches die Beweisführung für Versorger hinsichtlich ihrer (Bezugs-)Kostensteigerungen erschwert. In jüngerer Vergangenheit hatte der BGH entschieden, dass Versorger für den Nachweis ihrer (Bezugs-)Kostensteigerungen nicht zur Offenlegung ihrer Kalkulation verpflichtet sind, sondern dieser durch Zeugen (Mitarbeiter und / oder Wirtschaftsprüfer) erbracht werden kann. Fraglich ist, ob dies noch in ausreichender Weise gelingen kann, wenn es um die Frage geht, ob durch eine Beteiligung an dem Vorlieferanten bzw. durch Einkaufsgemeinschaften o. ä. die Bezugskosten (zuungunsten der Kunden) beeinflusst worden sind.

Wenn Sie Fragen zu diesem Urteil oder ganz grundsätzlich zu Preisanpassungsklauseln in Lieferverträgen haben, können Sie uns gerne ansprechen.

RECHTSANWÄLTE Achterwinter
Rechtsanwältin Anna Dieckmann
Telefon: 0211 / 530 660 20
Email: kanzlei@achterwinter.de

Das Urteil des BGH finden Sie unter folgendem Link:

 http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=74243&pos=0&anz=1